- am 20.09.2009
- auf der Aktuellseite Berlin-Brandenburg
- in der Kategorie Straßenbahn
Fahrgastsprechtag Straßenbahn
Am 14.09.09 fand im Rahmen der 26. Schienenverkehrs-Wochen der Fahrgastsprechtag Straßenbahn statt. Der Einladung des Berliner Fahrgastverbandes (IGEB) gefolgt sind Klaus-Dietrich Matschke, Bereichsleiter Straßenbahn, Bernd Lose, Betriebsleiter Straßenbahn, und Rainer Döge, BVG-Betriebs- und Absatzplanung.
ÖPNV-Beschleunigung
Bereits letztes Jahr war die ÖPNV-Beschleunigung in Berlin Thema beim Fahrgastsprechtag (BahnInfo berichtete) und auch dieses Mal gab es wieder etwas hierüber zu berichten. Als vor 10 Jahren durchschnittlich 20% der Fahrzeit Wartezeiten vor Signalanlagen waren, musste sich etwas verbessern und in der Tat kam es zu Verbesserungen. Zahlreiche Ampelanlagen wurden auf eine ÖPNV-Priorisierung umgestellt und sorgten für kürzere Fahrzeiten, was wiederum zu geringeren Fahrzeugeinsätzen und auch zu Fahrgastgewinnen führte. Verbunden damit waren Personal- und Geldeinsparungen.
In den letzten Jahren wurden diese Priorisierungen an vielen Ampeln jedoch aus vielfältigen Gründen ausgesetzt und führten damit wieder zu höheren Fahrzeiten und einem Mehrbedarf an eingesetzten Fahrzeugen. Um diese Situation wieder zu verbessern, wurden letzten Jahr Qualitätsvereinbarungen getroffen. Leider ist die derzeitige Situation im Straßenbahnbereich weiterhin unbefriedigend, da die Qualitätsvereinbarungen von seiten der Verkehrslenkung Berlins (VLB) nur sehr langsam umgesetzt werden. So sind derzeit noch immer ca. 10% der 272 Straßenbahn-Signalanlagen ohne oder nur mit unzureichend funktionierender ÖPNV-Priorisierung.
Doch gibt es auch erste Erfolge zu berichten. In der Seestraße (Linien M13 und 50), eine der größten Problemstellen, wurde die Priorisierung wieder eingeführt. Und auch entlang der M4 und in der Köpenicker Bahnhofstraße soll es noch dieses Jahr wieder besser vorangehen. Für nächstes Jahr sind Verbesserungen für die M17 und den Bereich Marzahn-Hellersdorf vorgesehen.
Flexity Berlin
Die BVG hat 99 Fahrzeuge vom Typ Flexity Berlin bestellt (BahnInfo berichtete), von denen zuerst die langen Einrichtungsfahrzeuge ausgeliefert werden sollen. Im Anschluss folgen die kurzen Zweirichtungsfahrzeuge und schließlich die kurzen Einrichtungsfahrzeuge. Lange Zweirichtungsfahrzeuge wurden nicht bestellt. Um alle Tatrafahrzeuge ersetzen zu können, sind weitere 33 Fahrzeuge notwendig, die in einem zweiten Lieferlos bis 2017 bestellt werden sollen. Die Bedarfsermittlung hierfür erfolgt bis 2010 in Abhängigkeit von Nachfrage- und Netzentwicklung. In der Anzahl von 136 nötigen Flexityfahrzeugen ist auch eine Reserve über 7 Fahrzeuge eingerechnet, die aufgrund ihres flexiblen Einsatzes aus Zweirichtungsfahrzeugen bestehen soll.
Bis 21 Monate vor Auslieferung ist es möglich, noch Einfluss auf den Fahrzeugtyp zu nehmen. Dies könnte zum Beispiel dann notwendig werden, wenn sich das Land Berlin als Aufgabenträger entschließt, die Strecke zum Kulturforum bauen zu lassen, zu dem die Linie M4 verlängert werden soll. Statt der langen Einrichtungsfahrzeuge wären dann lange Zweirichtungsfahrzeuge für diese Linie notwendig. Aus diesem Grund hat die BVG auch das Land Berlin aufgefordert, bis 2010 zu dieser seit langem geplanten Verlängerung verbindlich Stellung zu nehmen.
Die neuen Fahrzeuge sollen zunächst auf den Linien M4 und M8 eingesetzt werden.
Der Kauf und Einsatz von zunächst vier Vorserienfahrzeugen hat sich als gute Entscheidung herausgestellt. Insgesamt 68 Änderungen sind für die nun bestellte Serie vorgesehen, die den Fahrgästen und der Werkstatt zu Gute kommen. Die Änderungen lassen sich zu jeweils einem Drittel auf Anregungen von "normalen" Fahrgästen, von mobilitätseingeschränkten Fahrgästen und deren Verbänden sowie von Mitarbeitern im Fahrdienst und vor allem in den Werkstätten zurückführen. Darunter fallen zum Beispiel Optimierungen der Rollstuhlplätze (Platzierung Gurt, Haltewunschtasten etc.), veränderte Haltegriffe, andere Radkappen und der Einbau von zwei Automaten in den 40 Meter langen Fahrzeugen. Die vier Vorserienfahrzeuge werden den Serienfahrzeugen in mehreren Schritten angepasst. Teilweise dienen diese Fahrzeuge erneut als Testobjekte für einige der Änderungen.
Bei sehr viel Lob gegenüber den neuen Fahrzeugen, gibt es doch ein Ärgernis für viele Fahrgäste: die Flexity-Fahrten können nicht im dynamischen Auskunkfts- und Informationssystem (Daisy) angezeigt werden. Dadurch suggeriert Daisy den Fahrgästen eine längere Wartezeit auf die nächste Bahn, als es tatsächlich der Fall ist. Ursache hierfür ist die fehlende Anbindung an das Rechnergestützte Betriebsleitsystem (RBL) im Zusammenhang mit dem neuen digitalen Funk. Da sich dies nicht ändern lässt, wäre für jede Flexityfahrt eine Sonderprogrammierung für Daisy notwendig, die sich nach Aussagen der BVG nicht rechnet.
Einsatzgebiet Flexity / Fahrgastaufkommen aller Linien
In Zukunft sollen alle Linien typenrein gefahren werden, um unter anderem eine gleichmäßigere Fahrgastverteilung zu erreichen. Dabei wird allerdings innerhalb einer Linie nach Stamm- und Verstärkerkursen unterschieden. So werden auf den Linien M5, M6 und M8 die Stammkurse mit Flexity und die Verstärkerkurse mit GT6/GTZ verkehren. Im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Einsatzgebiet der Flexityfahrzeuge hat die BVG auch für alle Linien Zahlen bezüglich der Nachfrage pro Stunde in der Hauptverkehrszeit genannt.
Folgende Linien werden künftig mit Flexityfahrzeugen bedient:
M4 1.522 Fahrgäste in HVZ pro Stunde
M8 1.003
M2 809
M6 748
50 694
M5 669
M10 488
M13 450
Folgende Linien werden künftig mit GT6/GTZ-Fahrzeugen bedient:
M1 471 Fahrgäste in HVZ pro Stunde
18 410
M17 386
62 352
67 318
16 256
27 240
12 223
63 214
61 176
60 142
68 141
37 121
21 91
Trotz dem die M1 mehr Fahrgäste als die M13 aufweist, wird das höhere Potential bei der M13 gesehen und diese daher mit Flexityfahrzeugen bestückt.
Deutlich zu erkennen ist die schwache Nachfrage auf einigen Köpenicker Linien und der 21. Momentan stellt die BVG diese Linien zwar nicht in Frage, überprüft sie aber weiterhin kritisch, vor allem hinsichtlich anstehener Sanierungen. Entgültige Entscheidungen hierbei trifft allerdings nicht die BVG sondern das Land Berlin als Aufgabenträger.
Kaphaltestellen
In vielen Städten haben sich bereits Kaphaltestellen durchgesetzt, bei denen entweder das Gleis an den Bürgersteig herangeschwenkt oder der Bürgerstreig zum Gleis hin verbreitert wird. Und auch Berlin hat die Vorzüge des direkten Einstiegs ohne Fahrbahnquerung und die Abhaltung vom Parken im Haltestellenbereich erkannt und bereits 22 Haltestellenpaare in Betrieb. In diesem Jahr folgen noch drei weitere in der Wendenschloßstraße (Linie 62) und nächstes Jahr die Haltestellen am Betriebshof Köpenick (Linie 62) und in der Pappelallee/Stahlheimer Straße (Linie 12).
Neben Kaphaltestellen gibt es für Haltestellen im Straßenland noch eine weitere Bauart, um einen bequemen und behindertengerechten Einstieg in Straßenbahnen zu ermöglichen: Überfahrbare Kaps. Hierbei wird die neben dem Gleise liegende Autofahrspur im Haltestellenbereich erhöht. Eine solche Lösung wäre sogar bei zweispurigen Richtungsfahrbahnen möglich, wie es Leipzig zeigt. In Berlin allerdings befinden das Land Berlin und die BVG überfahrbare Kaps als problematisch hinsichtlich des teilweise sehr starken Autoverkehrs, weshalb es auch erst eine Haltestelle (Marktplatz Friedrichshagen, Linien 60 und 61) in dieser Bauform gibt. Eine zweite, die künftige Endhaltestelle der Straßenbahnverlängerung in die Wissenschaftsstadt Adlershof (Linien 60 und 61 vorgesehen), ist momentan in Bau und eine dritte in der Oderbruchstraße (Linien M5 und M6) in Planung.
Ausblick
Die für 2010 vorgesehene Inbetriebnahme der Strecke in die Wissenschaftsstadt Adlershof muss aufgrund der Bauverzögerung an den Brücken am S-Bahnhof Adlershof auf 2011 verschoben werden.
Für die geplante Strecke zum Hauptbahnhof geht die BVG optimistisch von 2012 oder zumindest 2013 aus. Allerdings sind diese Termine nur zu halten, wenn es keine Einsprüche beim derzeit ausliegenden Planfeststellungsbeschluss gibt, wovon aber auszugehen ist. Und da dies auch die BVG weiß, verzichtet sie lieber auf die Nennung eines "pessimistischen" Termins.
Für die geplante Ostkreuzanbindung sind derzeit Konzepte in Arbeit, die die Linien M10, M13 und 21 betreffen. Ob die Anbindung jedoch überhaupt kommt, ist momentan unklar, da auch hier seitens des Landes Berlins keine verbindlichen Aussagen vorliegen. Diese erwartet die BVG im Rahmen des anstehenden neuen Verkehrsvertrages.
Auch im nächsten Jahr wird die Grundsanierung des Straßenbahnnetzes fortgesetzt. Schwerpunkt bildet einmal mehr Pankow, wo es im Sommer 2010 zu einer zehnwöchigen Sperrung im Bereich Schönhauser Allee/Berliner Straße kommen wird. Grund ist der Straßenumbau im Bereich des Bahnhofs Pankow, bei dem auch neue gemeinsame Straßenbahn- und Bushaltestellen entstehen werden. Ab 2011 ist die Grundsanierung der Linie 68 entlang der Dahme geplant. Wie die Sanierung im dortigen Wasserschutzgebiet genau aussehen wird und ob die Strecke vollständig zweigleisig bleibt, ist noch nicht geklärt. Auch die Linie 61 in Rahnsdorf soll eine Grundsanierung erfahren, allerdings erst 2017. Voraussetzung für letzteres ist natürlich, dass sich das Land Berlin zu dieser Strecke bekennt und die Leistung hierfür bezahlt.
Sonstiges
- Daisy wird im Zusammenhang mit dem digitalen Funk weiter ausgebaut. Insgesamt 368 Anzeiger sind in den nächsten Jahren bei Straßenbahn und Bus geplant.
- Die Deutsche Bahn plant den S-Bahnhof Greifswalder Straße zu sanieren. Dieser Umbau sah zunächst aus Platzgründen keine direkten Abgänge vom S-Bahnsteig zu den Straßenbahnhaltestellen vor. Nachdem die BVG der DB jedoch aufgezeigt hat, dass direkte Abgänge sehr wohl möglich wären, sind diese nun fest eingeplant. Einzig ein Termin für den Umbau fehlt noch.
- Da sich die Klapprampen in den Flexityfahrzeugen bewährt haben, sollen nun auch alle Niederflurfahrzeuge des Typs GT6/GTZ diese im Rahmen einer BO-Strab-Inspektion erhalten. Die bisher in diesen Fahrzeugen vorhandenen sehr störanfälligen elektrisch betriebenen Rampen werden ausgebaut. Ebenso erhalten diese Fahrzeuge in naher Zukunft neue Fahrkartenautomaten, bei denen auch mit Geld- und EC-Karte bezahlt werden kann. Darüber hinaus wird ein größeres Fahrkartensortiment angeboten. Die Tatrafahrzeuge werden hingegen aufgrund ihrer bevorstehenden Ausmusterung keine neuen Automaten mehr erhalten.
- Für die GT6/GTZ-Fahrzeuge ist eine Einsatzzeit von noch mindestens 20 Jahre vorgesehen. Aus diesem Grund ist eine Modernisiereung angedacht, zu der allerdings noch keine konkreten Aussagen gemacht werden können.
- Im Frühjahr diesen Jahres wurde eine Haltestelleninsel am U-Bahnhof Eberswalder Straße Fahrtrichtung Ost (Linie M10) in Betrieb genommen, an denen aufgrund des nötigen Linksaus- und einstiegs nur Zweirichtungsfahrzeuge halten können. Sollte es mal zu immer mal wieder auftretenen Umleitungen zur Schleife Jahnsportpark kommen und dies Linien mit Einrichtungsfahrzeugen betreffen, würde dort eine provisorische gehwegseitige Haltestelle eingerichtet, um einen Aus- und Einstieg auch für diese Fahrzeuge zu ermöglichen. Allerdings kommt für eine Umleitung zum Jahnsportpark im Allgemeinen nur die Linie M2 in Betracht, die ebenfalls mit Zweirichtungsfahrzeugen betrieben wird.
- Auf dem Fahrgastsprechtag wurde die "100%-Auslastung" definiert: Eine Auslastung von 100% entspricht einer Belegung aller Sitzplätze und 65% der Stehplätze (bei angenommenen 4 Personen pro m²). Demnach kann es auch in einem Fahrzeuge eine Auslastung von über 100% geben.
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