- am 01.03.2009
- auf der Aktuellseite Berlin-Brandenburg
- in der Kategorie Restliches Brandenburg
Gutachten empfiehlt Straßenbahn-Stilllegung in Cottbus
Seit zwei Wochen sorgt ein Gutachten für viel Aufruhr in Cottbus und im Land Brandenburg, wird darin doch die Stillegung der Cottbuser Straßenbahn empfohlen und aufgezeigt, wie dies in vier Schritten innerhalb weniger Jahre geschehen könnte. Die Stadt Cottbus hat die Studie im Rahmen der Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans bis 2020 bei der PTV Planung Transport Verkehr AG, Dresden in Auftrag gegeben, um Wege aufzuzeigen, wie Cottbus mit weniger Geld ein qualitativ zumindest gleichbleibendes Nahverkehrsangebot aufrechterhalten kann. Ausgangssituation ist die demographische Entwicklung, die weitere Einwohnerrückgänge vorsieht, das sich daraus ergebene Stadtumbaukonzept und der wirtschaftliche Rahmen.
Die Stadt Cottbus hat eine Präsentation zur Studie (PDF 2,8MB) veröffentlicht, die die wesentlichen Eckpunkte und Zahlen zu den fünf veröffentlichen Fällen (inklusive Istfall 2007) enthält. Dabei schneidet der Nullfall 2020 (keine Stilllegung) bezüglich des Zuschussbedarfs mit 8,2 Millionen (Mio) Euro bei gleichbleibend guter ÖPNV-Bedienqualität am schlechtesten ab, wohingehend der Fall "Bus ohne Tram" bei sogar sehr guter Bedienqualität am besten abschneidet. Hier wird von einem Zuschussbedarf von 4,2 Mio Euro ausgegangen, was 2,2 Mio Euro weniger als dem für dieses Jahr vorgesehenen Bedarf von 6,4 Mio Euro entspricht und sogar 4,0 Mio Euro weniger als der Nullfall wäre. Sparen könnte Cottbus, so das Gutachten, auch mit dem Fall "Bus + 2 Straßenbahnlinien", bei dem nur noch die am stärksten nachgefragten Äste betrieben und der Rest vom Bus bedient werden würde. Hier würde der Zuschuss aber nur 0,5 Mio Euro unter dem für 2009 liegen.
Das Gutachten führte bereits zu zahlreichen Zweifeln an dessen Aussagekraft. So fragt der Deutsche Bahnkundenverband (DBV) in einem offenen Brief, wie 26 Straßenbahnzüge nur durch 19 Busse ersetzt werden können. Hierzu angemerkt sei die Tatsache, dass die Studie sogar ein besseres Angebot bei reinem Busbetrieb verspricht. Darüber hinaus fragt sich der DBV, wieso sich die Einwohnerprognose der Studie (87.300 Einwohner im Jahr 2020) von der der Brandenburger Landesregierung (89.620 E) unterscheidet, und bemängelt die Tatsache, dass nicht naheliegende Varianten wie die Umstellung des schwachen Astes nach Schmellwitz Anger auf Bus und einer neuen Erschließung der Brandenburgischen Technischen Universität durch die Straßenbahn untersucht wurden, die den Straßenbahnbetrieb effektiver gestalten ließen. Überhaupt wird kritisiert, dass nicht alle 12 untersuchten Varianten veröffentlicht wurden. Der DBV bezeichnet daher das Gutachten auch als einseitig.
Eine Entscheidung soll im Juni diesen Jahres fallen. Für das Ergebnis mitentscheidend dürfte auch die Tatsache sein, dass Fördermittel des Landes Brandenburg in Höhe von 38 Mio Euro in Anspruch genommen wurden, die im Falle einer zeitnahen Stilllegung zurückzuzahlen wären, und das die Infrastruktur um- und zurückgebaut werden muss, was weitere 36 Mio Euro Kosten verursacht. Wo soll das Geld herkommen? Und sollte das Land Brandenburg gar auf eine Rückzahlung verzichten und es daraufhin zu einer Stilllegung in Cottbus kommen, hätte dies eine verheerende Signalwirkung für die mit Cottbus vergleichbaren Straßenbahnbetriebe in Brandenburg an der Havel und Frankfurt/Oder, die mit ähnlichen demographischen und finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Auch für diese Betriebe gab es schon desöfteren Stilllegungsüberlegungen. Derzeit stehen dort aber beide Oberbürgermeister zu ihrer Straßenbahn, wie sie gegenüber der rbb-Nachrichtensendung Brandenburg aktuell angaben. So wird in Brandenburg (Havel) der Umbau des Nicolaiplatzes vorbereitet, inklusive Gleiserneuerung. Des weiteren bedauert die Oberbürgermeisterin Brandenburgs, Dietlind Tiemann, inzwischen sogar die Stilllegung der Strecke nach Kirchmöser. Seit der Umstellung auf Busbetrieb sind auf dieser Strecke die Fahrgastzahlen eingebrochen und die Busse befördern oft nur warme Luft. In Frankfurt wird sogar von einer möglichen neuen Straßenbahnstrecke zum Gewerbegebiet Spitzkrug gesprochen, um die Straßenbahn noch attraktiver und effizienter zu machen.
Auch das Volk steht hinter der Straßenbahn. So haben sich bei einer nicht repräsentativen Internetabstimmung von Brandenburg aktuell und dem Radiosender Antenne Brandenburg 94 Prozent der über 1.600 abgegebenen Stimmen klar für den Erhalt der Straßenbahn in Cottbus ausgesprochen. So bleibt derzeit nur abzuwarten, wie sich Cottbus entscheidet und wie die Verhandlungen zwischen Stadt und Land bezüglich der Rückzahlung der Fördermittel laufen. Eins ist jedoch klar: Ohne Straßenbahn wird Cottbus an Attraktivität verlieren.
(Foto: Noch fährt die Straßenbahn in Cottbus und auch zum Schmellwitzer Anger. Copyright: Harald Tschirner)
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