- am 21.02.2007
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Sicherheitsrisiko Deutsche Bahn – Gleise marode, Wartung vernachlässigt
Laut einer Mängelliste des Bundesrechnungshofes, die der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vorliegt, vernachlässigt die Deutsche Bahn AG zunehmend das ihr anvertraute Netz.
Danach seien einige der aufgeführten 2.300 Punkte sogar sicherheitsrelevant, wie das Blatt berichtet. So seien die Instandhaltung der Strecken in den Jahren 2001 bis 2005 ganz bewusst verschleppt und notwendige Reparaturen im Umfang von rund 1,5 Milliarden Euro unterlassen worden.
Verrostete Ankerschrauben gefährdeten mittlerweile die Standsicherheit an Signalanlagen, während rund 14% der vom Bund finanzierten Ortungsanlagen zur Feststellung von Schäden an Güterzugachsen nicht betriebsbereit seien. Auch bekräftige sich der bereits mehrfach gehörte Vorwurf, dass die Schäden und daraus resultierenden Ausfälle durch Sturmtief „Kyrill“ vermeidbar gewesen wären, hielte die Bahn ihre Strecken in Ordnung. Der Konzern lasse Bäume wie Unkraut viel zu dicht an ihren Anlagen wuchern, bevor Schritte der Bereinigung unternommen werden, so dass Katastrophen dieses Ausmaßes die Folge seien, wie der Bundesrechnungshof laut Aussage der HAZ bemängelt.
Während die Bahn durch ihren Sprecher Martin Walden erklären lässt, dass der Bericht jeglicher Grundlage entbehre und das Unternehmen vor allem in den Jahren 2004 bis 2006 deutlich mehr als 1,3 Milliarden Euro für den Unterhalt der Gleise investiert habe, mehren sich die kritischen Meinungen.
Eisenbahnbau-Professor Thomas Siefer findet beispielsweise ein eindeutiges Urteil in der aktuellen Ausgabe von „Technology Review“. Er sieht vor allem drei Faktoren für die Vernachlässigung der Infrastruktur als ausgemacht an. Seiner Meinung nach seien ganz allgemeine Sparprogramme, die durchschnittlich hohe Lebensdauer von Schienen und damit verbundenen Anlagen, die erst sehr viel später das Ausmaß der Versäumnisse präsentiere, sowie ein finanzielles Interesse der Bahn schuld am gegenwärtigen Zustand. Wartungsarbeiten müsse der Konzern vollkommen selbst bezahlen, wohingegen umfangreiche Komplettsanierungen der Bund subventioniere, so dass dies den deutlichen Anreiz liefere, auf Verschleiß zu fahren.
Die Folge sei laut Siefer „ein schlechter werdender Zustand des Netzes, der sich in gesunkenem Fahrkomfort, Langsamfahrstellen und einer überalterten Anlagenstruktur äußert". Weiter untermauert Siefer den bereits mehrfach von BahnInfo erwähnten Vorwurf, dass jene allein im Jahre 2005 400 zusätzlichen Langsamfahrstellen nicht im Fahrplan berücksichtigt werden, dauerhafte Verspätungen also die Folge sind. Dieses Manko war explizit auf der ausgebauten Schnellfahrstrecke zwischen Hamburg und Berlin laut geworden, nachdem bekannt wurde, dass so genannte „Moorlinsen“ den reibungslosen Betrieb behindern. Dr. Wofgang Weinhold, zuständig bei DB Fernverkehr für die mittel- bis langfristige Angebotsplanung im Netz- und Kapazitätsmanagement, bestätigte jüngst im Oktober die Informationen BahnInfos, wies jedoch darauf hin, dass die Marketingabteilung fordere, den Zug auch weiterhin mit offiziellen 90 Minuten Fahrzeit anzugeben, um so aus werbetechnischen Gründen, mehr Kunden zu gewinnen.
Siefers spricht in seinem Bericht von erheblichen Defiziten, die erst nach und nach abgebaut werden könnten, so dass mit einer Besserung nicht schnell zu rechnen sei, hält aber eine schnelle Reaktion für zwingend notwendig:
„Erst wenn es gelungen ist, den Instandhaltungsrückstand aufzuarbeiten, wird es wieder möglich sein, dass die Bahn so pünktlich ist, wie es die Kunden erwarten."
Dass die Methode allem Anschein nach in Bahnkreisen System zu haben scheint, lässt sich von den Äußerungen des Vorstands Betrieb der BVG, Thomas Necker, längst herleiten. Dieser hatte im Zusammenhang zahlreicher Debatten um die Zukunft der Berliner Straßenbahn bereits mehrfach erklärt, es sei sinnvoll und gängiges Procedere zunächst abzuwarten, Langsamfahrstellen in Kauf zu nehemen, bevor man – wenn überhaupt – reagiere.
Gegenüber BahnInfo sprach in diesem Zusammenhang ein Bahnmitarbeiter aus Hamburg-Langenfelde und deckte mit seinen Aussagen das momentane Meinungsbild, die Bahn habe lediglich den Börsengang in ihrem Blickfeld. Wartungen, die früher selbstverständlich, heute aber nicht dringend notwendig seien, habe man außer Acht zu lassen. Ein Beispiel dafür seien die InterCity-Wagen und die Überprüfung der Funktionsfähigkeit aller Bauteile. Aufgrund der Personalreduzierung sowie der gemeinhin bezeichneten Effizienz fallen seiner Ansicht nach oft die Klima- und Belüftungseinrichtungen der Züge aus, weil Zugsammelschienen und elektrische Durch- wie Zuleitungssysteme nicht ausreichend überprüft werden. „Nicht selten verlassen bei uns Wagen das Werk, ohne dass zuvor alle Kontrollen durchgeführt wurden“, so der Bahner wörtlich. Folgen seien, dass die Kunden entweder schwitzen oder abends im Dunkeln sitzen.
Am Ende mag man sich, wie so oft zitiert, wohl nur fragen, ob auch hier der Fahrgast im Mittelpunkt und damit im Weg sitzt.
Bild: Die Gleise kaputt, die Strecken und Service am Ende. Sieht es bald überall so aus wie hier? © Christian Linow
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