- am 09.12.2013
- auf der Aktuellseite Kommentar
- in der Kategorie Kommentar
Start für die Express-S-Bahn – Marketing-Gag oder sinnvoll?
Wenn am kommenden Samstag das neue mitteldeutsche S-Bahnnetz rund um Halle und Leipzig in Betrieb geht, wird es in Deutschland auch eine neue Zuggattung geben: Die Express-S-Bahn. Über Sinn und Zweck dieser Bezeichnung lässt sich sicherlich streiten, denn streng genommen handelt es sich bei der neuen Linie S5X (Halle Zwickau) um eine Regionalexpresslinie (so fuhren die Züge zwischen Halle und Leipzig auch bisher als RE 5), die wohl nur aus Marketinggründen S-Bahn genannt wird. Ansonsten ändert sich auch sonst nicht viel auf der Strecke zwischen Leipzig und Halle über den Flughafen: Die neuen silbernen Talent-2-Triebwagen der Mitteldeutschen S-Bahn verkehren auch schon seit einigen Wochen auf dem RE 5. Dafür kann man jetzt nun mit der neuen Express-S-Bahn von Halle über Leipzig durch den neuen City-Tunnel bis Zwickau durchfahren. Zusätzlich zur S5X verkehren ab nächsten Wochenende zwischen Halle und Leipzig übrigens die S3 (so wie die bisherige S10 über Schkeuditz) und die S5 über Leipzig Messe und Flughafen.
Mit der S5X wird die Region Leipzig übrigens schneller über eine Express-S-Bahn verfügen als München, wo die Idee für diese neue Zuggattung entstand: Dort wird seit Jahren über die Einführung einer Express-S-Bahn zwischen der Innenstadt und dem Flughafen diskutiert – zur Eröffnung des zweiten Innenstadttunnels soll sie starten. Bisher gibt es aber auf der S2 zwischen Markt Schwaben und Erding erste Expresszüge im Berufsverkehr, die nicht auf allen Unterwegsbahnhöfen halten, diese bilden aber keine eigene Linie. Keine Express-S-Bahn, aber eine Express-U-Bahn ist übrigens die U70 zwischen Düsseldorf und Krefeld. Auch sie hält nicht an jedem Bahnhof, nutzt aber dieselbe Trasse wie die anderen Stadtbahnlinien. In Bremen gibt es stadteinwärts im Berufsverkehr die Express-Stadtbahnen 1S, 3S und 4S, die viele Unterwegshalte in den Außenbezirken auslassen und auch Potsdam hatte von 2000 bis 2008 eine Expresstramlinie mit der Nummer X98 zwischen Pirschheide und dem Kirschsteigfeld, sogar in beide Fahrtrichtungen. Aber jetzt beginnen wir schon, Äpfel mit Birnen zu vergleicht: Kurzum, eigentlich ist die neue mitteldeutsche S5X ein maskierter Regionalexpress, der zwischen drei größeren Städten
verkehrt - die Linie hat mit den anderen Stadtbahnen nichts gemein.
Doch die neue S5X zeigt wieder, dass der Bezeichnung S-Bahn zu Marketingzwecken keine Grenzen mehr gesetzt zu sein scheinen: In Freiburg und der Ortenau verkehren seit Jahren Dieseltriebwagen im Stundentakt als „S-Bahn“, in der Region Bremen/Oldenburg nutzt man wenigstens den Begriff „Regio-S-Bahn“, um die in weiter Taktfolge z.T. bis an die Nordsee verkehrenden einstigen Regionalbahnen treffender zu titulieren – diese Bezeichnung hatte aber wohl eher wettbewerbstaktische Gründe, da die RS-Züge von Veolia und nicht von der DB betrieben werden. Mancherorts verkehren sog. „S-Bahnen“ bis ins nächste Bundesland - bis zu hundert Kilometer entfernt: Die Hannoveraner S-Bahnlinie 5 bspw., die bis Paderborn verkehrt oder auch die neue mitteldeutsche S4, die von Leipzig stündlich über Elsterwerda (Brandenburg) bis Hoyerswerda (Sachsen) verkehrt, sind keine S-Bahnen im klassischen Sinne.
Foto: Tisch in einem neuen S-Bahnzug mit Netzplanaufdruck. Besonders griffig ist übrigens der neue S-Bahn-Stationsname "Wilhelm-Leuschner-Platz - Platz der friedlichen Revolution".
Alle Rechte an den hier veröffentlichten Texten und Bildern liegen ausschließlich bei BahnInfo
bzw. den jeweiligen Autoren. Eine weitere Veröffentlichung der Bilder und Texte (dazu zählt
auch die Verwendung auf anderen Internetseiten) ist ausschließlich mit vorheriger schriftlicher
Genehmigung der BahnInfo-Redaktion bzw. des jeweiligen Autoren gestattet.