- am 20.03.2007
- auf der Aktuellseite Berlin-Brandenburg
- in der Kategorie Allgemeine Meldungen aus der Region
S-Bahn setzt auf Technologie – BVG verursacht Millionenschaden durch EFS
Dem seitens der BVG nach wie vor forcierten, bislang 18 Millionen Euro teuren elektronischen Fahrschein (EFS) gegenüber erhärtet sich die Kritik von allen Seiten immer mehr. (BahnInfo berichtete s. unten)
Das sich seit 1999 in der Entwicklung befindliche Chipkarten-System, welches ab Ende dieses Jahres auf Abo-Karteninhaber angewendet werden soll, zeigt sich nunmehr deutlich als zu veraltet sowie kostenintensiv und droht nach Ansicht der Grünen zu einem wirtschaftlichen Fiasko zu eskalieren.
Erst vergangene Woche hatten die Deutsche Bahn AG und Vodafone einen innovativen und zugleich neuen Dienst vorgestellt, bei dem dank modernster „Near-Field-Communication“-Technologie Fahrgäste ihre Tickets über das Handy erwerben können und die Abrechnung ähnlich des Festnetztelefons mit Auflistung aller Anbieter monatlich nach Hause kommt. Dieser Weg sei nach Auskunft beider Unternehmen sehr viel günstiger als ein System, das auf Chipkarten setze und ohne großen Aufwand keine bundeseinheitlichen Strukturen erlaube.
Längst haben laut einer Studie Erfahrungen gezeigt, dass sich dem EFS ähnliche Anwendungen wie beispielsweise die „Geldkarte“ in der Gesellschaft erst langfristig durchsetzen, dem Handy gleichwohl aber heutzutage schon eine weit höhere Identifizierung von der Bevölkerung beizumessen ist. So stehen Untersuchungen zufolge 100% Marktpenetration bei Mobilfunktelefonen nur 1,2 Millionen Ladevorgängen der Geldkarte im letzten Quartal von 2006 gegenüber. (Quelle: Zentraler Kreditausschuss)
Kein Wunder also, dass auch die Berliner Verkehrsbetriebe sich am gemeinsamen Pilotprojekt von Vodafone und Bahn beteiligen wollen und ihre Infrastruktur im Gesamtumfang des U-Bahnnetzes ab 2008 zu Testzwecken zur Verfügung stellen. Ebenso schließt es BVG-Geschäftsführer Andreas Sturmowski nicht aus, dass bei einem erfolgreichen Start auch sein elektronischer Fahrschein in der neuen Technologie aufgehen könnte, was zur Folge hätte, dass bereits unmittelbar nach Einführung für Abo-Kunden der EFS wieder Geschichte wäre.
Nicht zuletzt deswegen setzt die Berliner S-Bahn ausschließlich auf „Touch&Travel“, wie Pressesprecher Gisbert Gahler gegenüber BahnInfo gestern schriftlich erklärte.
„Unter dem Begriff Touch&Travel werden die Deutsche Bahn und Vodafone gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern (auch der BVG) das elektronische Ticketing-Verfahren in den kommenden Jahren zur Marktreife entwickeln. Touch&Travel hat einen vollkommen neuen Ansatz: bei Touch&Travel erfolgt die Datenübertragung nicht über eine teure, speziell zu implementierende Kommunikationsinfrastruktur, sondern über die bereits vorhandenen Mobilfunknetze. Dadurch kann das kundenfreundliche System erstmals mit im Verhältnis zu anderen Ansätzen sehr geringen Infrastrukturinvestitionen realisiert werden. Die zahlreichen derzeit im Markt befindlichen Verfahren mit Tickets in elektronischer oder verschlüsselter Form auf Chipkarten oder Handys werden allgemein unter dem Begriff eTicketing zusammengefasst. Es gibt eTicketing-Verfahren, die bereits Handys oder Chipkarten als Zugangsmedium für Verkehrsdienstleistungen im Regelbetrieb einsetzen. Dazu ist bislang jedoch eine aufwändige und damit teure Infrastruktur zum Ein- und Auschecken notwendig gewesen. Deshalb haben wir auch das e-ticket-Projekt der BVG seinerzeit nicht weiter unterstützt.
Die wirtschaftliche Seite für die BVG will ich nicht kommentieren.
Das neue Verfahren Touch&Travel bietet drei wesentliche Vorteile für den
Kunden:
• Flexibilität – einfacher und unkomplizierter Zugang zum Öffentlichen Verkehr
• 24-Stunden-Verfügbarkeit
• keine detaillierten Tarifkenntnisse erforderlich
• Ortsungebundenheit beim Ticketkauf
• Komfort/Convenience - der Kunde trägt „seinen eigenen Automaten“ bei sich
• Kein Schlangestehen mehr (Zeitgewinn)
• Kein Bargeld notwendig
• Transparente und detaillierte monatliche Abrechnung
• Mobilität aus einer Hand
Eben ein einziges Medium für Information, Buchung, Bezahlung Möglichkeit der Integration von Zusatzdiensten (z.B. Auskünfte per SMS bei Verspätungen)."
Selbst wenn sich „Touch&Travel“ seitens der Anbieter und Verkehrsunternehmen nicht durchsetzen sollte, wäre jedoch die NFC-Technologie ab 2009 wohl in vielen Handys gegeben, so dass die erforderliche Fahrtberechtigung, beispielsweise eines Abos, bequem auf der SIM-Karte hinterlegt und anschließend mit Hilfe lediglich neuer Prüfgeräte kontrolliert werden könnte, ohne dass für den Nutzer zwangsläufig Kosten entstünden, die der BVG-Marketing Direktor Dr. Tom Reinhold in einem gestrigen Gespräch befürchtete und deshalb weiter auf den EFS setzt.
Die Frage, die sich dem gemeinen Fahrgast aufdrängt, - und der für jegliche Eskapaden eines Verkehrsunternehmens mit einem tieferen Griff in seinen Geldbeutel gerade stehen muss - ist, ob es wirklich Sinn ergibt, in eine allem Anschein nach schon veraltete Technik weiterhin fleißig zu investieren.
Die Sprecher des Bündnis 90/Die Grünen jedenfalls befinden, dass es sich bei Vorhaben wie dem elektronischen Fahrschein der BVG um Spielereien handelt, getreu des Mottos, „Was können wir schickes entwickeln und damit in die Geschichte eingehen“, so jedenfalls sieht es Claudia Hämmerling, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion. Sie geht noch weiter und fordert, dass man dem Unternehmen jenes „Spielgeld“ streichen müsse, um die Misswirtschaft nicht weiter zu begünstigen. Alleine 30 Millionen Euro beträgt der Schaden Ihrer Meinung nach für das U-Bahnfernsehen und den EFS.
Mit verantwortlich für das ruinöse Zeugnis sei auch der Senat, wie der finanzpolitische Sprecher der Partei, Jochen Esser, gegenüber den Medien heute erklärte. Der Tatsache schuldend, dass man den Berliner Verkehrsbetrieben die Möglichkeit eingeräumt habe, selbst Kredite aufzunehmen, habe dazu geführt, dass bei Verminderung von Fahrleistung mehr und mehr Schulden aufgenommen werden, die bis 2010 den gesamten Erlös des Verkaufs der BVG-eigenen Wohnungen „verfrühstücken“ würden, wie er wörtlich sagt, wenn man nicht endlich beginne, etwas dagegen zu tun, statt nur politisch zuzugucken.
Bitte beachten Sie dazu folgende Artikel:
• Einsteigen, losfahren – Vodafone und Bahn machen Handy zur Fahrkarte
• Elektronisches-Ticket der BVG bald veraltet• Vodafone-Alternative günstiger
Bild: So einfach wie das Lösen der Fahrkarte ist auch das Kontrollieren. © Christian Linow
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