- am 16.03.2007
- auf der Aktuellseite Berlin-Brandenburg
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Elektronisches-Ticket der BVG bald veraltet• Vodafone-Alternative günstiger
Die Kritik am bislang im zweiten Versuch 18 Millionen Euro teuren elektronischen Ticket, das die Berliner Verkehrsbetriebe nach wie vor zum Ende des Jahres umsetzen wollen, wird lauter.
Die heute auf der CeBIT in Hannover von Vodafone und der Deutschen Bahn AG vorgestellte Alternative „Touch&Travel“, bei der via Handy die Fahrkartenbuchung elektronisch erfolgt, soll bei mehr Komfort deutlich weniger Kosten verursachen als jene Varianten mittels Chipkarte, wie auch Erfahrungen aus dem Ausland zeigen.
Ungeachtet der neuerlichen Entwicklung hält BVG-Geschäftsführer Andreas Sturmowski weiter an dem, wie er es nennt, „Elektronischen Fahrschein – EFS“ fest. „Wir machen kein ‚e-ticketing'", sagt Sturmowski und wirbt für sein Vorhaben mit der Begründung, dass die Berliner Verkehrsbetriebe ihren „Kunden heute schon eine Erleichterung bieten wollen. Wir sind nicht davon überzeugt, dass alle Kunden wirklich aufs Handy umsteigen werden“.
Gleichwohl ist sein Unternehmen neben der Deutschen Bahn AG und dem Verkehrsbetrieb in Potsdam (ViP) sowie der Berliner S-Bahn einer der Kooperationspartner, der zusammen mit Vodafone das auf so genannter „Near Field Communication“-Technologie (NFC) basierende System testen und bis zur erwarteten Marktreife 2010 voranbringen will.
Nicht zuletzt, weil es den ursprünglichen Intentionen der BVG entspricht, Fahrten nach Streckenentfernungen berechnen zu wollen. Eine der damaligen Begründungen des Unternehmens am Ende der neunziger Jahre, die kostenintensive Entwicklung eines elektronischen Fahrscheinsystems zu forcieren, von der die Verkehrsbetriebe aktuell jedoch Abstand nahmen.
Die von Vodafone und der Deutschen Bahn AG heute vorgestellte Variante verspricht dem elektronischen Fahrschein gegenüber deutlich mehr, ist auf dem neuesten Stand der Technik und erreicht nach statischen Werten jedermann, weil 100% der Bevölkerung – zumindest an Handy-Verträgen gemessen – über ein Mobiltelefon verfügt.
Kunden können schon ab dem nächstem Jahr in einem Pilotprojekt sowohl im Nahverkehr innerhalb Potsdams sowie Berlins als auch im Fernverkehr von der Hauptstadt bis Hannover über ihr mit einer Kupferschleife präpariertes Handy das Ticket käuflich erwerben, ohne mehr dabei einen Automaten aufzusuchen. Nachdem im Anschluss einer einmaligen Registrierung die erforderlichen Daten hinterlegt sind, betritt der Fahrgast den Bahnsteig, hält sein Mobilfunkgerät vor einen so genannten „Touchpoint“ – einen Positions- und Zeitdatenträger: Also welcher Bahnhof, Bahnsteig, um wie viel Uhr – und betritt den Zug. Das Handy liest im Vorwege an jenem fest installierten Emitter alle erforderlichen Daten, meldet sie via Funk an den Ticket-Server, der wiederum automatisch die im Telefon hinterlegte Fahrtberechtigung ausstellt. Am Ende muss der Kunde lediglich vor Verlassen der Station am Ziel sein Gerät nochmals vor einen „Touchpoint“ halten, um sich abzumelden. Route und Fahrpreis werden ermittelt und nach Ablauf eines Monats die Rechnung erstellt. Eine entfernungsbezogene, reale Faktur wird damit erstmals möglich, ohne dass es der weit höheren Infrastruktur von Chip-Karten bedarf, weil künftige Handys NFC-fähig ausgeliefert wie hergestellt werden und das teuerste am „Touchpoint“, laut Vodafone, das vor Vandalismus geschützte Gehäuse sein wird.
Das meint auch Andreas Sturmowski und sagt: „Ich bin davon überzeugt, dass elektronische Tickets die Voraussetzung für innovative Tarife sind.“ Die Substantiierung, bei diesem zum EFS parallel verlaufenden Projekt mitzuwirken, findet er auf ungewöhnliche Weise. „Für uns sind nur Wege gemeinsam mit der S-Bahn sinnvoll“, der BVG-Geschäftsführer wörtlich, obgleich diese sich zuletzt aus dem Unterfangen zurückgezogen hatte und nach aktuellem Sachstand die Berliner Verkehrsbetriebe die erforderlichen Module zur Kontrolle sowie Überprüfung der Chip-Fahrkarten stellen und der S-Bahn finanzieren werden. Die ist ihresgleichen am avisierten „Touch&Travel“-Pilotprojekt ebenso beteiligt, so dass es fraglich bleibt, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt in die momentane Insellösung der BVG mit einsteigen wird. Andreas Sturmowski sieht in dieser jedenfalls nach wie vor einen großen Erfolg, zudem es keinerlei Konkurrenz zum Handy-Ticket darstelle. Auch die 18 Millionen Euro Entwicklungskosten hält er für unkritisch und ironisiert:
„Wir können auch alle Daten seit dem Zweiten Weltkrieg durchrechnen!“
Zweifelhaft bleibt dennoch, ob es wirklich sinnvoll ist, in eine Technologie zu investieren, die heute bereits veraltet erscheint und man an einer von morgen schon aktiv arbeitet. Hinzu kommt, dass es beim „Touch&Travel“ erfolgreiche Referenzen aus Japan oder Korea gibt, wo heutzutage längst ganze U-Bahnnetze auf diese Weise tariflich miteinander vernetzt sind.
Statt einer isolierten und jeweilig individuellen Methode, bietet das neu vorgestellte System dem Kunden die Chance, der verschiedenen Verkehrsunternehmen übergreifend abgerechnet zu werden, ganz ähnlich der Telefonrechnung daheim, die alle Anbieter auf einem Papier berücksichtigt, ohne dass weitere Schritte mehr nötig sind.
Auf die Frage, ob auch Jahresabonnements wie die der BVG auf dem Handy hinterlegt werden könnten, antwortete der Vorsitzende der Geschäftsführung von Vodafone Deutschland, Friedrich Joussen, im Übrigen, „Technologisch ist es absolut möglich!“, und der Vorstand Personenverkehr der Deutschen Bahn AG fügte gar hinzu, dass man später vielleicht kein Abo mehr benötige, weil die neuen Abrechnungen nach Entfernung bemessen billiger würden als jene gegenwärtige Jahresverpflichtung.
Und trotzdem liegen laut der BVG die Vorteile ihres elektronischen Fahrscheins auf der Hand:
Für den Kunden:
- im Wegfall des Wertmarkenklebens
- in der Sperrung und dem Ersatz der Karte bei Verlust
- der Nutzung eines haltbaren Mediums.
Für die BVG:
- in der elektronischen Kontrolle, die sicherer ist und insbesondere im Bus Kontrollprozesse für den Fahrer vereinfacht
- in dem Wegfall des Drucks und Versands von Wertmarken
Zudem betrachtet die BVG diese Maßnahme als Mittel der Kundenbindung.
Das jedenfalls antwortete soeben die Pressesprecherin Petra Reetz auf Anfrage BahnInfos, wenngleich Andreas Sturmowski einräumt, dass er sich eine spätere Umstellung dieses Verfahrens auf „Touch&Travel“ durchaus vorstellen könne. Wie gesagt, die von Seiten der Bahn und Vodafones geplante Marktreife ist spätestens für das Jahr 2010 vorgesehen. Im Übrigen Lizenzfrei, so dass jeder Mobilfunkanbieter einsteigen kann und soll, wie es Friederich Joussen formulierte.
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