- am 25.07.2009
- auf der Aktuellseite Berlin-Brandenburg
- in der Kategorie Allgemeine Meldungen aus der Region
Ist die Talsohle bei der Berliner S-Bahn schon erreicht?
Nach Aussage der Deutschen Bahn war die Talsohle bei der Berliner S-Bahn mit dem bisher letzten Bescheid des Eisenbahnbundesamtes (EBA) erreicht. Nun könne man wieder klar planen...
Seit einer Woche dauern die daraus resultierenden verschärften Einschränkungen nun an und zumindest auf die Verfügbarkeit des Fahrzeugparks mag die Aussage zutreffen. Auch die Informationen zum vorhandenen (Ersatz-)Angebot haben sich kontinuierlich verbessert, wobei auch hier noch immer große Defizite vor allem vor Ort vorhanden sind. Weniger scheint es aber auf die Informationspolitik des Konzerns und seiner Berliner Tochter zuzutreffen. Neuesten Meldungen von Tagesspiegel und Berliner Morgenpost, die sich auf interne Papiere der S-Bahn beziehen, zufolge waren Verstöße gegen Fristen und (Selbst)Auflagen eher Regel- als Sonderfall. Selbst schadhafte Fahrzeuge wurden mangels Ersatz wieder in den Betrieb geschickt. Als Beispiel wird Beiwagen 885 042 genannt, bei dem drei Risse an Schweißnähten mit einer Gesamtlänge von 590 mm festgestellt wurden, zulässig sind hingegen nur 500 mm. Einen Tag nach der Schadfeststellung wurde ohne Reparatur eine befristete Freigabe für 3 Monate erteilt. Nur über sogenannte Tolerierungsprotokolle und Fristverlängerungen (Hauptuntersuchung bei der Baureihe 481 erst nach 1,4 statt 1,1 Millionen Kilometern) war der Regelbetrieb offenbar noch halbwegs aufrechtzuerhalten. Selbst am 30. Juni, als das EBA längst selbst Kontrollen bei der S-Bahn durchführte, wurde noch für Wagen 481 388 bei einem Kilometerstand von 44.320 km eine Fristverlängerung von 44.000 km (Grenzwert, vorgesehen sind 40.000 km!) auf 47.000 beantragt.
Mit dem unerwartet kompletten Austausch der alten Geschäftsführung wurde diese Vorgehensweise gestoppt. Mitarbeiter mussten sich schriftlich dazu verpflichten, alle Fristen und Auflagen einzuhalten und keine Fahrzeuge mit Fristüberschreitungen mehr in den Fahrgastbetrieb zu übergeben - eigentlich eine Selbstverständlichkeit! Mit diesen Erkenntnissen erscheinen die massiven Einschränkungen des EBA doch noch einmal in einem anderen Licht und sind wohl keinesfalls überzogen. Im Gegenteil, es hätte ebenso die komplette Abstellung der Baureihe 481 und den Entzug der Betriebserlaubnis für die S-Bahn Berlin GmbH verfügen können. Beides wurde nach Aussagen des EBA in Erwägung gezogen, aber mit Rücksicht auf die Fahrgastbelange zugunsten der gefundenen Regelung nicht durchgeführt.
Doch zwischen Bahn und EBA droht bereits der nächste Konflikt. Nach einem vor einer Woche eher zufällig festgestellten Radriss an einem Doppelstockwagen in Wünsdorf erklärte die Bahn, dass es sich um einen Einzelfall durch eine zu fest angezogene Bremse handele und keine weiteren Einschränkungen zu erwarten sei. Das EBA zeigte sich daraufhin verwundert, da es seinerseits die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen habe und daher auch noch keine Entscheidung über mögliche Verfügungen getroffen hat. Für den Berlin-Brandenburger Regional- und S-Bahnersatzverkehr würde im schlimmsten Fall mit der Abstellung von fast 50 Doppelstockwagen eine weitere Verschärfung der Situation eintreten. Es bleibt also zu hoffen, dass es bei DB Regio Nordost tatsächlich beim Einzelfall bleibt.
Weiterhin besteht jedoch die Kritik am DB-Konzern für die Sparvorgaben an die Berliner S-Bahn, die nach diesen Erkenntnissen entgegen der Behauptungen der DB wohl doch ihren Teil zur aktuellen Situation beigetragen haben. Immerhin wurde der weitere Personalabbau vorerst gestoppt und die für 2010 geplante Schließung der S-Bahn-Hauptwerkstatt in Schöneweide ausgesetzt, allerdings auch die Wiedereröffnung der trotz massiver Kritik geschlossenen Werkstatt Friedrichsfelde abgelehnt.
Knauserig zeigt sich die Bahn auch bei der Entschädigung für Fahrgäste. Nach aktuellem Stand bleibt es bei der einmaligen Entschädigung vieler Stammfahrgäste, ausgerechnet die Gruppe der Studenten, die zum Kauf des Semestertickets verpflichtet sind, wurde von der bisher angekündigten Regelung jedoch ausdrücklich ausgenommen. Für sie bleibt ebenso wie für die Nutzer von Umweltkarten ohne Abo und Einzelfahrausweisen wohl nur noch die Hoffnung, dass die Bahn den Forderungen von Politik und Fahrgastverbänden nach weitergehenden Regelungen nachgibt.
Hoffnungen auf die weitere Nachbesserung des Ersatzangebotes schwinden ebenso. "S21" und Ersatzbusse werden nur zaghaft genutzt, während es auf der Stadtbahn weiterhin größere Taktlücken und überfüllte Züge, sowie daraus weit ins Land Brandenburg getragene Verspätungen gibt. Unverständlich bleibt auch der fehlende Ersatzverkehr zwischen Ostbahnhof und Jannowitzbrücke, während die Ersatzbusse nahezu leer vom Alexanderplatz kommend die Jannowitzbrücke ohne Halt in Richtung U-Bahnhof Schlesisches Tor passieren. Dass die Busse leer sind, dürfte nicht nur an den fehlenden Halten sondern auch an mangelnden Hinweisen auf den Bus und dessen Abfahrtsorte liegen.
Es bleibt also vorerst fraglich, ob und aus welchem Betrachtungswinkel die Talsohle bereits erreicht ist.

Alle Rechte an den hier veröffentlichten Texten und Bildern liegen ausschließlich bei BahnInfo
bzw. den jeweiligen Autoren. Eine weitere Veröffentlichung der Bilder und Texte (dazu zählt
auch die Verwendung auf anderen Internetseiten) ist ausschließlich mit vorheriger schriftlicher
Genehmigung der BahnInfo-Redaktion bzw. des jeweiligen Autoren gestattet.