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Eisenbahn News - Ausgabe 1/98

Titelthema:
Berlin: Baureihe 475 "Stadtbahn" verabschiedet

Ein Stadtbahner an seinem letzten Einsatztag auf dem Bahnhof Hermannstrasse

Am 21.12.1997 ging in Berlin mit einer Sternfahrt zum Bahnhof Ostkreuz und anschließender Parallelfahrt von 3 Zügen von Ostkreuz nach Warschauer Straße ein bewegtes Kapitel deutscher Eisenbahngeschichte zu Ende. Die legendären Berliner S-Bahnwagen der Stadtbahn-Bauart wurden nach fast 70-jähriger Einsatzzeit feierlich verabschiedet.Anlaß für viele Eisenbahnfreunde aus aller Welt ("aus aller Welt" im wahrsten Sinne des Wortes,darunter auch eine Delegation dieser Zeitschrift) am Wochenende 20./21.12.1997 nach Berlin zu pilgern um an der Stadtbahn-Abschiedszeremonie teilzunehmen und somit der Legende auf Schienen eine letzte Ehre zu erweisen. Dieses ist auch Anlaß für viele Eisenbahn-Zeitschriften in der Welt (darunter auch die Eisenbahn-News) von diesem histo rischen Ereignis zu berichten und den ausscheidenden historischen Rekord-Haltern zum Abschied ein Portrait zu widmen.


Die Stadtbahner:

oder: Das BahnInfo BR 475/BR 476 Fahrzeugportrait.


Die von 1927-1932 gebauten Berliner S-Bahn-Wagen der ursprünglichen „Bauart Stadtbahn“, später Baureihe ET 165, später 275, später 475 sind wie in der Einleitung bereits erwähnt, mehrfache Rekordhalter in der 1835 angefangenen gesamten deutschen Eisenbahng eschichte:1: Mit 689 Exemplaren (Nullserie 4 Prototypen, Baujahr 1927 + 1.-3. Serie 634 „Stadtbahner“ Baujahr 1928-1931 + 4., letzte und erheblich modifizierte Serie 51 „Wannseebahner“ Baujahr 1932 = 689 ET 165) war die Baureihe ET 165 die Stückzahl-stärks te Baureihe in ganz Deutschland.2: Vom 11.6.1928- vsl. Ende 1999 werden die „Stadtbahner“ mit 71 Jahren die am längsten sich im Einsatz befundene Baureihe in ganz Deutschland gewesen sein (die letzten zur Baureihe 476 artentfremdeten ehemaligen Stadtbahner werden voraussichtlich Ende 1999 ausscheiden). Andere hochbetagte Baureihen, wie z.B. die Hamburger 471 werden es von 1939- vsl. Ende 1999 gerade mal 60 Einsatzjahre gebracht haben, die T-Wagen der Hamburger Hochbahn haben es von 1912-1970 gerade mal auf 58 Einsatzjahre gebracht.


Die Vorkriegsjahre:

Für das große Elektriffizierungsprogramm der Berliner Stadtbahn, Ringbahn und diverserVorortstrecken bestellte die Deutsche Reichsbahn im Jahre 1926 bei den Firmen WUMAG/Görlitz und Orenstein&Koppel/Berlin jeweils 2 Prototypen für eine weiterentwickelte Na chfolgebauart der bewährten Bauart „Oranienburg“.Diese 4 Prototypen kamen 1927 zur Auslieferung und wurden einem einjährigen harten Erprobungsprogramm unterzogen.1928 begann dann die Sreienauslieferung der Bauart „Stadtbahn“, bis 1931 wurden 634 Einheiten in drei Serien ausgeliefert, bis 1932 folgte noch eine 51 Einheiten umfassende 4., letzte und in einigen Details modifizierte Serie, die sogenannten „Wannseebahner“.Der erste Fahrgasteinsatz erfolgte am 11.6.1928 auf der S3.

Der Fahrzeugaufbau der „Stadtbahner“ entsprach weitestgehend der Vorgängerbauart„Oranienburg“: Vierachsige Drehgestellwagen in genieteter Stahlbauweise, Wagenkastenals selbsttragendes Stahlgerippe mit Tonnendach und vier innenliegende Taschen-Doppelschiebe türen auf jeder Wagenseite. Durch Verwendung von hochwertigen Siliziumstahl konnte das Fahrzeuggewicht den Vorgängern gegenüber um 20% verringertwerden, weshalb auch die Motorleistung gegenüber den Vorgängern entsprechend reduziert werden konnte. Die Höchs tgeschwindigkeit betrug jedoch weiterhin unverändert 80 km/h.Auch in vielen anderen Punkten waren die „Stadtbahner“ ihren Vorgänger-Bauarten „Oranienburg“ und „Bernau“ gegenüber erheblich modifiziert:Von Anfang an besaßen die „Stadtbahner“ durch Druckluft schließende Türen,mechanische Fahrsperren und halbautomatische Scharfenberg-Kupplungen, welche dieFahrzeuge mechanisch miteinander kuppelten und auch noch die Druckluftleitungen miteinander verbanden. Die Vorgängerfahrzeuge wurden dementsprechend nachgerüs tet. (Die vollautomatische Scharfenberg-Kupplung, die zusätzlich auch die elektrischen Leitungen miteinander verbindet, kam bei der Berliner S-Bahn erst im Jahre 1937 bei der Baureihe ET 167 erstmalig zum Einbau, die ab 1979 nicht mit zum 476 umgebauten „ Stadtbahner“ und deren Vorgänger-Bauarten wurden niemals nachgerüstet.)

Auffälligste Neuerung bei den „Stadtbahnern“ war nur eine weiße Zugspitzenleuchte in der Stirnwandmitte, darunter eine zusätzliche Signallampe für Falschfahrten bei Bauarbeiten (Gleiswechselbetrieb/Linksverkehr). Die schon bei den Vorgänger-Bauarten als Z ugschlußleuchten funktionierenden roten Dachlaternen wurden beibehalten.Die 4. Serie unterschied sich von den ersten drei Serien insbesondere durch die versenkt genietete (glatte) Wagenkastenhaut und das Schaltwerk wurde nicht mehr pneumatisch angetrieben, sondern von einem Elektromotor. Zwei Einheiten der „Wannsee“-Serie dienten als Versuchsträger zur Erprobung von Bauteilen für die Nachfolge-Baureihe ET 125 „Bankierszüge“. Sie unterschieden sich von den restlichen ET 165 durch die nicht mehr abgeschrägten , sondern geraden Frontscheiben. Einer dieser beiden Versuchszüge wurde Ende der 70er Jahre zum E3 umgebaut,der andere ist heute Museumszug beim Verein historische S-Bahn Berlin.

Während die Vorgänger-Bauarten „Oranienburg“ und „Bernau“ ursprünglich noch in preußisch-grün lackiert waren, wurde mit den „Stadtbahnern“ auch ein neues Farbkonzeptbei der Berliner S-Bahn eingeführt: Unterhalb der Fenster weinrot, in Höhe des Fensterbande sbis Unterkante Dachpartie in der 3.Klasse Ocker, in der 2.Klasse blau.Ab 1933 wurde zwischen Oberkante Fenster und Unterkante Dachpartie noch ein weinroter Streifen mitangebracht . Die „Oranienburger“ und „Bernauer“ wurden dementsprechend umlackiert. Nach Abschaffung der 2.Klasse im Jahre 1942 wurden die ehemaligen 2.Klasse-Abteile ebenfalls Ocker lackiert. Dieses Farbkonzept wurde (mit einer geringfügigen Modifikation aus der BVG-Epoche im Westteil der Stadt ab 1984) bis heute beibehalten und wird es auch in Zukunft bleiben.

Die Nachkriegsjahre: (Umbauten und Modernisierungen bis in die 70er Jahre)

Nach Abschaffung der 2.Klasse im Jahre 1942 wurden die Stadtbahner zum ersten mal modernisiert. In den ehemaligen 2.Klasse-Abteilen wurden die Polstersitze gegen Holzlattensitze der 3.Klasse ausgetauscht, teilweise wurden die bisher nur in 2.Klasse-Abteile n eingebauten Mahagoni-Holzverkleidungen in den ganzen Zug eingebaut, andere Stadtbahner erhielten die bei den Nachfolge-Bauareihen ET 166, ET 167 verwendeten helleren Holzverkleidungen. Außen wurden die ehemaligen 2.Klasse-Abteile Ocker lackiert. Ebenfa lls wurden die quer über den Sitzen angebrachten Gepäckablagen durch die bei den Nachfolge-Baureihen von Anfang an eingebauten Längs-Gepäckablagen über den Fenstern ersetzt, was sich allerdings noch bis weit in die 60er Jahre rein hinzog.

Da das Fahrgastaufkommen die meiste Zeit über mindestens 4-Wagen-Züge erforderte und die Fahrgastzahlen nur auf den äußersten Streckenabschnitten in den verkehrsschwächsten Zeiten so gering waren, daß 2-Wagen-Züge ausreichten, wurden ab der 466. gelieferte n Einheit die 224 letztgelieferten Einheiten nur noch mit einem Führerstand (auf dem Triebwagen) ausgerüstet. Im Rahmen des 1942 begonnen 1. Modernisierungsprogrammes wurde bei den 465 erstgelieferten Einheiten der 2. Führerstand (auf dem Beiwagen) ausgeba ut. Lediglich 3 Einheiten verblieben mit 2 Führerständen für den Einsatz auf der Strecke Zehlendorf-Düppel wo die Fahrgastzahlen so gering waren, daß stets 2-Wagen-Züge ausreichten. Außerdem verloren alle Fahrzeuge bei diesem Modernisierungsprogramm die Si gnallampe für Falschfahrten unter der Zugspitzenlampe in der Stirnwandmitte.

Die ET 165 Vorkriegs-Nachfolge-Bauarten ET 125, ET 166, ET167 und Peenemünder (heute alle einheitlich 477) haben es zusammengenommen stückzahlmäßig gerade mal auf die Hälfte der Gesammtanzahl an ET 165 gebracht. Im Jahre 1942 bestand der Fahrzeugpark der B erliner S-Bahn zu 2/3 aus ET 165 (Stadt- und Wannseebahn) und zu einem 1/3 aus den Nachfolge-Baureihen ET 125, ET 166, ET 167. Nach Kriegsverlusten (Zerstörungen und Reparationsabgaben nach Polen und UdSSR) waren nach dem Krieg immer noch 2/3 der ET 165 in Berlin vorhanden und stellten stückzahlmäßig immer noch den größten Anteil am gesamten Fahrzeugpark der Berliner S-Bahn dar.

In der zweiten Hälfte der 50er Jahre wurden bei ca. 1/3 der noch vorhandenen ET 165 die Holzlattensitze gegen grüne Kunstledersitze ausgetauscht, bei einem Teil der noch vorhandenen ET 165 wurden die ursprünglichen Glühlampenleuchten gegen Leuchtstoffröhr enleuchten ausgetauscht, bei den restlichen ET 165 wurden die ursprünglichen Glühlampenleuchten gegen neue, sogenannte Arnsdorfer Glaskuppel-Glühlampenleuchten ausgetauscht.

Ab 1965 begann die Umstellung auf Einmannbetrieb (EMB).Um das Zug-Begleitpersonal einsparen zu können, wurden ab 1965 die Triebwagen mit Sifa und Funkwechselsprechanlage zur Übermittlung des Abfahrauftrages ausgerüstet. Desweiteren erhielten die Triebwage n zu Lasten des Fahrgastbereiches größere Führerstandsräume und die Frontpartie wurde geringfügig umgestaltet:Die einzelne weiße Zugspitzleuchte in der Frontmitte und die beiden als Zugschlußleuchten

funktionierenden roten Dachlaternen wurden von zwei leuchtkräftigeren weißen Zugspitzleuchten und darüber 2 kleineren roten Zugschlußleuchten ersetzt.Mehr als 100 Einheiten wurden zunächst noch nicht mit in den Umbau auf EMB einbezogen.Lediglich mit EMB-S teuerleitung versehen, durften diese nicht auf EMB-umgerüsteten Einheiten nur noch in der Mitte eines Zugverbandes laufen (Paßviertel).Auf den Führerstandsumbau und die Neugestaltung der Frontpartie mit den 2 Zugspitz- und Schlußleuchten wurde bei diesen Einheiten ebenfalls verzichtet. Der Umbau der Stadtbahner auf EMB zog sich noch bis 1988 hin: Spätestens beim Umbau zur heutigen Baureihe 476 ab 1979 oder durch die von der BVG

durchgeführte Modernisierung ab 1985 wurden die seinerzeit ausgesparten sogenannten „Paßviertel“ auf Einmannbetrieb nachgerüstet. Die 1942 mit 2 Führerständen verbliebenen 3 Einheiten für die schwach frequentierte Strecke Zehlendorf-Düppel waren nach Stil llegung dieser Strecke im Jahre 1980 für ihr neues Einsatzgebiet im Spätverkehr zwischen Friedrichstraße-Charlottenburg ebenfalls auf EMB umgerüstet worden mit Umgestaltung der Frontpartie mit den 2 Zugspitzen- und Zugschlußleuchten, allerdings unter Beibe halt des steuerwagenseitigen 2. Führerstand. Von 1965-1990 wurden viele „Stadtbahner“ zu E3 umgebaut.


Umbau zur Baureihe 276 (heute BR 476) von 1979-1987:

Nachdem es notwendig geworden war, die vormals als ET 165 bezeichneten und seit 1970 nunmehr als Baureihe 275 bezeichneten betagten „Stadtbahner“ länger zu erhalten, startete die Deutsche Reichsbahn im Jahre 1979 ein umfangreiches Modernisierungsprogramm f ür die betagten „Stadtbahner“. Dabei erhielten bis 1987 insgesamt 212 275er (188 „Stadtbahner“ und 24 „Wannseebahner“) die elektrische Ausrüstung und Motoren mit denen in den 70er Jahren die Nachfolge-Bauarten ET 125, ET 166, ET167 und „Peenemünder“ zur Ba ureihe 277 (heute BR 477) vereinheitlicht worden sind. Im Innern erhielten die zuerst umgebauten „Stadtbahner“ die bereits von den modernisierten Fahrzeugen der Nachfolge-Bauarten bekannten weißen Sprelacart-Wandverkleidungen und blau-grauen Kunstledersitz e. Außerdem erhielten ALLE modernisierten S-Bahn-Fahrzeuge Leuchstoffröhrenbeleuchtung, sowie optische und akustische Türschließ-Warneinrichtungen. Die später zur BR 276 (heute 476) umgebauten „Stadtbahner“ erhielten im Innern kirschbaumfarbige Wandverklei dungen und braune Kunstledersitze. Später wurden bei den 277ern und früher umgebauten 276ern die blau-grauen Kunstledersitze gegen die bei den später umgebauten 276 verwendeten braunen Kunstledersitze ausgetauscht. Einige 277er erhielten bei späteren Unter suchungen auch noch die kirschbaumfarbige Wandverkleidung der später umgebauten 276er. Ebenfalls erhielten die nach der Übernahme des Westnetzes durch die BVG die im Osten verbliebenen nicht zur BR 276 umgebauten 275er die braunen Kunstledersitze. Inzwisch en sind auch die braunen Kunstledersitze bei den Baureihen 476 und 477 durch neue Anti-Graffitti-Sitze ersetzt. Auffälligstes äußeres Merkmal des artentfremdenden Umbaus war die neu angesetzte Stirnfront mit den zweigeteilten Frontscheiben, die neu einge bauten Klappenfenster und die Türschließwarnleuchten. Die zur BR 276 umgebauten ehemaligen „Stadtbahner“ waren vortan nicht mehr mit ihren verbliebenen ehemaligen Artgenossen kuppelbar, dafür aber jetzt mit ihren zur BR 277 vereinheitlichten Nachfolgern, w as allerdings nur in den seltensten Fällen vorkam. Die Baureihen 276 und 277 wurden vor der Wiedervereinigung ausschließlich im Ostnetz eingesetzt. Ab 1984 wurde im Osten ein neues Farbschema eingeführt, um sich vom Westen abzusetzen, wo das seit 1933 gü ltige Farbkonzept mit der Übernahme des Betriebes durch die BVG geringfügig modifiziert worden war.


Die BVG-Epoche

Ab 9.1.1984 übernahm die BVG das von der Reichsbahn stark vernachlässigte und heruntergekommene Westnetz der Berliner S-Bahn. Die Deutsche Reichsbahn überließ der BVG 115 275er, 95 davon voll EMB-tauglich und 20 Paßviertel. Aufgrund von akuten Fahrzeugmang el konnte die BVG einige Züge komplett nur aus Paßvierteln bilden, weshalb diese Züge dann auch wieder mit Zugbegleitern besetzt werden mußten. Da es sich bald abzeichnete, daß Neubaufahrzeuge frühestens Anfang der 90er Jahre zur Verfügung stehen werden, w urden die "Stadtbahner" bei Wagon-Union/ Spandau von 1985-1988 einer weiteren Modernisierung unterzogen. Dabei wurde bei 12 Einheiten der 2.Führerstand wieder eingebaut, da im Westen die Fahrgastzahlen so stark zurück gegangen waren, daß zeitweise 4-Wagen- Züge überdimensional gewesen wären und in verkehrsschwachen Zeiten somit wieder mit nur 2-Wagen-Zügen gefahren werden konnte. Ebenfalls im Rahmen dieses Modernisierungs-Programms wurden die Paßviertel EMB-tauglich gemacht, mit Neugestaltung der Frontpartie mit den 2 Zugspitzen- und den darüber liegenden Zugschlußleuchten. Im Innern wurde die noch von aus dem 1.Modernisierungsprogramm von 1942 stammende Wandvertäfelung aus Mahagoni-/bzw. Hellholz a la Nachfolge- Baureihe ET 167 gegen eine neue aus hellem Ei chenholz ausgetauscht. Die aus den 50er Jahren stammenden grünen Kunstledersitze wurden gegen neue, unbequeme, aber Vandalismusresistente Bundesbahn-Systemsitze a la 420 (München, Frankfurt, Stuttgart), Redesign-472, 474 (Hamburg) ausgetauscht, von einem Austausch der originalen Holzlattensitze wurde allerdings abgesehen, ebenso wurde die aus den 50er Jahren stammende Innenbeleuchtung (Leuchtstoffröhren oder Arnsdorfer Glaskuppel Glühlampen) nicht noch ein weiteres mal verändert. Bei denen im Osten verblie benen, nicht in den 276-Umbau einbezogenen 275 wurden die aus den 50er Jahren stammenden grünen Kunstledersitze, sowie die verbliebenen Holzlattensitze gegen die bereits bei den 277 und 276 (ex275, ex ET 165) eingebauten braunen Kunstledersitze ersetzt. Da s seit 1928 gültige Farbkonzept oben Ocker/ unten Weinrot, ab 1933 mit weinroten Streifen zwischen Unterkante Dach/ Oberkante Fenster wurde im Westen im Rahmen dieses Modernisierungsprogramm geringfügig modifiziert: Das immer schmutzig wirkende Ocker wurde durch ein freundlicher wirkenden Gelbton ersetzt, das ebenfalls immer schmutzig wirkende Weinrot wurde durch ein helleres Rot ersetzt.

Im Osten wurde zeitgleich ein ebebfalls modifiziertes Farbkonzept eingeführt um sich vom Westen abzusetzen: Hier wurden die Züge von Weinrot/Ocker in Rotbraun/Elfenbein umlackiert. Nach der Wiedervereinigung wurden die im Osten verbliebenen elfenbein/rotbr aun lackierten Züge ebenfalls in diese modifizierten Farben lackiert.

Das Ende:

Mit der Auslieferung der Neu-Baureihen 480(West) und 485(Ost) reduzierte sich von 1990-1994 der Bestand an "Stadtbahnern" nun in bemerkbaren Maß. Liefen mit der Wiederaufnahme des durchgehenden Verkehrs auf der Stadtbahn ab 2.7.1990 Ost-und Westzüge überga ngsweise gemischt, wurden schon bald vornehmlich seinerzeit im Osten verbliebene, in Elfenbein/Rotbraun lackierte, nun mehr als 475 bezeichnete "Stadtbahner" von den Neu-Baureihen 480 und 485 hauptsächlich im Osten aus ihren alten Einsatzgebieten verdrängt . Auf den BVG-Strecken im Westen (S1, S2, S25, durch den Nord-Süd-Tunnel. Die im Westen liegenden Strecken verlaufen alle durch den Nord-Süd-Tunnel) blieben vornehmlich 1984 von der BVG übernommene "Stadtbahner" noch bis Mai 1997 im Einsatz. Im Osten verbl ieben die "Stadtbahner" nur noch auf der S10 im Einsatz. Hier kamen überwiegend noch verbliebene Ost-475 in Elfenbein/Rotbraun zum Einsatz. Da die Fahrgastzahlen auf der S10 nach der Wiedereröffnung der S1 nach Oranienburg so stark zurück gegangen waren, daß 4-Wagen-Züge jetzt überdimensional gewesen wären und 2-Wagen-Züge jetzt völlig ausreichten, kamen auf der S10 jetzt auch von der BVG wieder mit 2 Führerständen ausgerüstete 475 zum Einsatz. Somit gelangten noch West-475 in den Osten,ebenso gelangten noch einige Ost-475 in den Westen zum Einsatz auf BVG-Strecken. Die vor der Wiedervereinigung ausschließlich nur im Osten eingesetzten zur Baureihe 276 (heute 476) umgebauten "Stadtbahner" und die Baureihe 277 (heute 477) kamen ab der Wiedervereinigung auc h im Westen zum Einsatz. Da die "Stadtbahner" bis zum Schluß nicht mit Feuerlöscher und auch nicht mit Türverriegelung während der Fahrt ausgerüstet waren, wurden sie ab Mai 1997 aufgrund von verschärften Sicherheitsvorschriften,(welche die Nachrüstung der Stadtbahner mit Feuerlöscher und Türverriegelung während der Fahrt für den weiteren Einsatz im Nord-Süd-Tunnel erforderten, was sich allerdings für die letzten Monate vor dem endgültigen Einsatzende aber nicht mehr gelohnt hätte) von ihrem angestammten l etzten Haupteinsatzgebiet durch den Nord-Süd-Tunnel verbannt und dort von ihren zur BR 476 artentfremdeten ehemaligen Artgenossen ersetzt. Für die letzten 7 Monate ihrer Zeit gelangten die "Stadtbahner" noch einmal in ihr ursprüngliches Haupteinsatzgebiet , die Stadtbahn (nach der sie schließlich benannt sind) auf den Linien S5, S7, S75 zurück, wo sie schon zuvor bis 1994 durch die Neu-Baureihen 480 und 485 verdrängt worden sind. Mit der Einführung der Neubaureihe 481 kam am 21.12.1997 für die "Stadtbahner" das endgültige Aus.


Die Abschiedszeremonie am 21.12.1997

Am Sonntag, den 21.12.1997 kam, wie bereits erwähnt, für die "Stadtbahner" das endgültige Aus. An diesem Tag wurden auf 7 Linien, wo schon lange keine "Stadtbahner" mehr planmäßig fuhren, noch einmal, ein allerletztes mal, "Stadtbahner" nach einem besonde ren Fahrplan eingesetzt. Dieser Fahrplan war so ausgelegt, daß ab 12.54h-12.57h alle 7 Züge am Bahnhof Ostkreuz aus allen Richtungen eintrafen und dort für 5 Minuten bis 13.02h alle Gleise belegten. In diesen 5 Minuten schien die Welt den Atem anzuhalten: Der ganze Bahnhof Ostkreuz war voll von den ganzen Massen fotografierender und filmender Eisenbahnfreund , die an diesem Wochenende aus aller Welt ("aus aller Welt" im wahrsten Sinne des Wortes) nach Berlin angereist sind, um der Legende auf Schienen eine letzte Ehre zu erweisen. Und wahrhaftig: In diesen 5 Minuten machte sich über den Bahnhof Ostkreuz ein Schweigen breit, so daß das ununterbrochene Klicken der Fotoapparate und das Surren die Videokameras bestimmt noch kilometerweit zu hören war. Um 13.02h starteten dann 3 Züge zur Parallelfahrt zum Bahnhof Warschauer Straße. Danach war dann noch bis 14 Uhr Gelegenheit in einem auf Bahnsteig A als "Stadtbahner-Suvenirshop" aufgestellten Stadtbahner "Stadtbahner"-Suvenire zu erwerben. Die S-Bahn Berlin GmbH gab an diesem Tag eine Sondertageskarte Tarifgebiet AB heraus, mit Sonderstempel vom extra dafür aufgestellten blauen Entwerter im Bahnhof Ostkreuz auf dem Bahnsteig F. In Charlottenburg startete um 14.39h der letzte "Stadtbahner" zu seiner letzten Fahrt. Diese letzte Fahrt führte von Charlottenburg über ein sonst nur für Betriebsfahrten benutztes Gleis über den Südring nach Schöneweide, wo es um 15.10h für alle Fahrgäste für immer aus dem "Stadtbahner" aussteigen hieß. In diesem Augenblick war ein bewegtes Kapitel deutscher Eisenbahngeschichte zu Ende gegangen. Und während noch so mancher Eisenbahnfreund den "Stadtbahnern" nachtrauerte, knallten in den Büros der Führungskräfte der S-Bahn Berlin GmbH die Sektkorken und es wurde die Ausmusterung der "Stadtbah ner" kräftig gefeiert. Schließlich ist es unmöglich mit derart veralteten Fahrzeugen einen wirtschaftlichen Regelbetrieb durchzuführen. Beliebt waren die "Stadtbahner" nur noch bei eingefleischten Eisenbahnfreunden. Beim Werkstattspersonal und bei den Füh rungskräften der S-Bahn Berlin GmbH waren die "alten Karren" unbeliebt. Ab 16.00 Uhr fand in Charlottenburg an den Zügen 605/033/005 eine Versteigerung von Holzbänken und anderen original "Stadtbahner"-Teilen statt. Der Erlös dieser Versteigerung kam der m usealen Erhaltug der "Stadtbahner" zugute.

Und damit ist die "Stadtbahner"-Ära bei der Berliner S-Bahm immer noch nicht ganz beendet: 209 ehemalige "Stadtbahner" werden in Form der Baureihe 476 teilweise vsl. noch bis Ende 1999 ihren Dienst bei der Berliner S-Bahn versehen und selbst in Form der ar tentfremdeten BR 476 sind die Stadtbahner auch noch nach dem 21.12.1997 mit 209 Fahrzeugen die immer noch stückzahlmäßig am stärksten vertretene Baureihe auf dem gesamten Berliner S-Bahn-Netz.


Text und Foto: Jan Gnoth, Januar 1998

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